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Der Wissenschaft einen Bärendienst erwiesen und Verbraucher verunsichert

Dass Omega-3-Fettsäuren Prostatakrebs fördern, lässt sich aus der Studie von Brasky et al gar nicht ableiten.

Eine am 10. Juli 2013 vorab im Journal of the National Cancer Institute (JNCI) veröffentlichte Studie von Brasky et al. vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle1 sorgt für Furore: Medien verbreiten einerseits die Nachricht, dass Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl das Risiko erhöhen, an Prostatakrebs zu erkranken. Omega-3- und Krebsforscher aus aller Welt äußern andererseits ihre Empörung über die Unzulänglichkeit der Studie, sprechen gar von „junk science“ (minderwertiger Wissenschaft).

Stellungnahme des Arbeitskreis Omega-3 e. V.

Die unter dem Titel „Plasma Phospholipid Fatty Acids and Prostate Cancer Risk in the SELECT Trial“ veröffentlichte Studie zeigt auf, dass erhöhte Blutplasmaspiegel von Omega-3-Fettsäuren assoziiert sind mit einem erhöhten Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken. Bei rund 2.200 Männern wurden einmal zu Studienbeginn die Konzentrationen von Omega-3-Fettsäuren im Blutplasma gemessen. Die Studienteilnehmer wurden ausgewählt aus denen, die am sogenannten SELECT Trial teil­nahmen, einer Studie die von 2001 bis 2004 an Männern über 55 Jah­ren aus den USA, Kanada und Puerto Rico die mögliche vorbeugende Wirkung von Selen- und Vitamin E-Gaben auf die Entstehung von Prostatakrebs untersuchte. Zunächst ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die Studie nicht speziell für die Untersuchung der Beziehung zwischen der Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren und Prostatakrebs konzipiert war. Es handelt sich hier zudem um eine beobachtende (epidemiologische) Studie, die keinerlei Ursache-Wirkungs-Beziehung aufzeigen kann. So hätte man bei­spielsweise aus weiteren in der Studie erhobenen Daten zu folgenden wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren Schlussfolgerungen finden können: Es zeigte sich nämlich u. a., dass Nichtraucher und Männer, die keinen oder nur sehr wenig Alkohol tranken (weniger als einen Drink pro Tag), häufiger Prostata-Krebs hatten als Raucher und Konsumenten größerer Alkoholmengen.

Zu kritisieren ist ferner die einmalige Messung der Plasmaspiegel an Omega-3-Fett­säuren, denn es ist bekannt, dass dieser Mess­wert nur eine Moment­aufnahme darstellt und nichts über den langfristi­gen Versorgungszustand aussagt. Die Konzentrationen an sogenannten Phospholipid-Omega-3-Fettsäuren im Blutplasma steigen z. B. vier bis zwölf Stunden nach einer Fischmahlzeit extrem an und können dann um 100 Prozent und mehr erhöht sein, um schließlich nach etwa 48 Stunden wieder auf ihren Ausgangswert zurückzufallen. In der Studie wurde jedoch gar nicht erfasst – weder zu Beginn, noch im Verlauf der Untersuchung –, ob, in welcher Form, also z. B. über Fisch oder Fischölkapseln, und wie viel Omega-3-Fettsäuren die Männer zu sich genommen hatten. Umso verwunderlicher ist es, dass Alan Kristal, der Hauptautor der Studie, in einer vom Fred Hutchinson Cancer Research Center heraus­gegebenen Pressemitteilung sagt, dass das Team mit dieser Studie erneut zeigen konnte, dass die Nutzung von Nahrungsergänzungs­mitteln (z. B. Fischölkapseln) schädlich sein kann („We’ve shown once again that use of nutritional supplements may be harmful.“2).

William S. Harris, Professor an der Sanford School of Medicine der University of South Dakota, USA, und einer der weltweit renom­miertesten Omega-3 Forscher hat die in der Studie gemessenen Konzentrationen mit denen aus eigenen und anderen großen Studien verglichen und stellte fest, dass selbst die höchsten Messwerte ver­gleichsweise niedrig sind. Er kommt zu dem Schluss dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass die untersuchten Männer Fischöl­kapseln einnahmen.

Schaut man nun die in der Studie gemessenen Blutspiegel an Omega-3-Fettsäuren bei den Männern mit Prostatakrebs und der Kontroll­gruppe an, so stellt man fest, dass es sich hier um eine Differenz von nur 0,2 Prozent handelt. Dieser Unterschied ist minimal und klinisch nicht relevant, aus ihm aber ziehen die Autoren den Schluss, dass höhere Omega-3-Blutspiegel das Risiko für Prostatakrebs er­höhen.

Es kommt hinzu, dass die Ergebnisse der Studie denen vieler anderer widersprechen, die zu dem Schluss kommen, dass Omega-3-Fettsäu­ren genau gegenteilig wirken, d. h. das Prostata­krebsrisiko eher senken3–9. Am Schluss ihrer Publikation führen Brasky et al. lediglich drei vorher erschienene Studien an, darunter eine eigene und eine, die Omega-3-Fettsäuren aus marinen Quellen als sehr vorteilhaft bei der Senkung des Prostatakrebsrisikos herausstellt. Letzteres bestätigt zudem die Tatsache, dass Bevölkerungen mit einem hohen Fisch­verzehr und einem hohen Omega-3 Index – wie z. B. die japanische und andere asiatische sowie die skandinavische – eine extrem niedrige Prostata-Krebs-Rate aufweisen.

Fazit

Omega-3-Fettsäuren sind lebenswichtige Nährstoffe. Fachgesell­schaften weltweit empfehlen ihre ausreichende Zufuhr, weil hin­reichend belegt ist, dass sie nicht nur das Herz-Kreislauf-System schützen können, sondern in allen Lebensphasen unverzichtbar sind. Eine einzelne Studie wie die von Brasky et al., die aufgrund zahlreicher Mängel in der Durchführung die Schlussfolgerung der Autoren nicht rechtfertigt, sollte nicht dazu genutzt werden, Verunsicherung zu fördern und Ängste zu schüren.

Literatur

  1. Brasky T. M., Darke A. K., Song X., Tangen C. M., Goodman P. J., Thompson I. M., Meyskens Jr F. L., Goodman G. E., Minasian L. M., Parnes H. L., Klein E. A., Kristal A. R. (2013): Plasma Phospholipid Fatty Acids and Prostate Cancer Risk in the SELECT Trial” J Natl Cancer Inst: Published ahead of print in July 10, 2013
  2. Fred Hutchinson Cancer Research Center (2013): Study confirms link between omega-3 fatty acids and increased prostate cancer risk. Press release date 10-Jul-2013. URL: http://www.eurekalert.org/pub_releases/2013-07/fhcr-scl070913.php (Zugriff am 08.08.2013)
  3. Epstein M. M., Kasperzyk J. L., Mucci L. A., Giovannucci E., Price A., Wolk A., Håkansson N., Fall K., Andersson S. O., Andrén O. (2012): Dietary fatty acid intake and prostate cancer survival in Örebro County, Sweden. Am J Epidemiol 176 (3): 240–252
  4. Aronson W. J., Kobayashi N., Barnard R. J., Henning S., Huang M., Jardack P. M., Liu B., Gray A., Wan J., Konijeti R., Freedland S. J., Castor B., Heber D., Elashoff D., Said J., Cohen P., Galet C. (2011): Phase II prospective randomized trial of a low-fat diet with fish oil supplementation in men undergoing radical prostatectomy. Cancer Prev Res (Phila). 4 (12): 2062–2071
  5. Szymanski K. M., Wheeler D. C., Mucci L. A. (2010): Fish consumption and prostate cancer risk: a review and meta-analysis. Am J Clin Nutr 92 (5):1223–1233
  6. Chavarro J. E., Stampfer M. J., Li H., Campos H., Kurth T., Ma J. (2007): A prospective study of polyunsaturated fatty acid levels in blood and prostate cancer risk. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 16 (7): 1364–1370
  7. Leitzmann M. F., Stampfer M. J., Michaud D. S., Augustsson K., Colditz G. C., Willett W. C., Giovannucci E. L. (2004): Dietary intake of n-3 and n-6 fatty acids and the risk of prostate cancer. Am J Clin Nutr 80 (1):204–216
  8. Augustsson K., Michaud D. S., Rimm E. B., Leitzmann M. F., Stampfer M. J., Willett W. C., Giovannucci E. (2003): A prospective Study of Intake of Fish and Marine Fatty Acids and Prostate Cancer. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 12: 64–67
  9. Terry P., Lichtenstein P., Feychting M., Ahlbom A., Wolk A. (2001): Fatty fish consumption and risk of prostate cancer. Lancet 357 (9270):1764–1766